Seestadtpresse Bremerhaven - "In Berlin finden täglich Kongresse, Diskussionsrunden, Parlamentarische Abende und Gesprächskreise zu allen erdenklichen Fragestellungen statt. So diskutiert die Republik auf Grafitti-Kongressen, debattiert über die richtige Jagdtradition und macht sich Gedanken, ob gepiercte Frauen verantwortungsvolle Mütter sein können. Kongresse und Diskussionsrunden zum Lobbyismus sucht man dagegen vergeblich." (Hervorhebung DK)
Diese Bemerkung macht der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow in der Einleitung seines Buches "Wir Abnicker – Über Macht und Ohnmacht der Volksvertreter“, Econ 2010.
Das erste Kapitel dieses Buches ist in der Abteilung "Denkanstößes" auf der Webseite des Instituts Solidarische Moderne nachzulesen.
Bülow unterscheidet zwei große Gruppen von Lobbyisten - die privaten Interessenvertreter (private interest groups), zu denen er die großen Wirtschaftsverbände und Unternehmen zählt. Da für sie Gewinnmaximierung und Profit an erster Stelle stehen, bezeichnet Bülow sie als „Profitlobbyisten“.
Als zweite Gruppe nennt er die Vertreter der NGOs oder der politischen und sozialen Verbände (public interest groups), die sich z.B. für die Umwelt, den Verbraucherschutz oder die Rechte von Kindern, Arbeitslosen oder Rentnern einsetzen. Diesen Organisationen gehe es vorwiegend um das öffentliche Interesse und das Allgemeinwohl.
Bülow sieht im Profitlobbyismus große Gefahren für die Demokratie. "Finanzstarke und mächtige Lobbyisten beeinflussen die Politik nicht mehr nur, sondern bestimmen sie maßgeblich mit", meint Bülow und sieht auch Deutschland auf dem Weg zu einer sogenannten "Postdemokratie".
In einer solchen Postdemokratie bleibe die Demokratie formal zwar bestehen, aber letzten Endes setzen sich die wirtschaftlichen Machteliten in immer stärkerem Maße durch. Das entscheidende Mittel dazu bilden die Lobbyisten.
Bülow: "Ich bin davon überzeugt, dass der Profitlobbyismus mitverantwortlich dafür ist, dass unser demokratisches System ausgehöhlt wird."
Und auch die Medien spielen in diesem System laut Bülow ihre Rolle: "Der ökonomische Druck, mit dem (die Medien) zu kämpfen haben, führt zu einem gnadenlosen Wettbewerb um Anzeige- und Werbekunden, die wirtschaftlich wesentlich wichtiger sind als die Zahl der Abonnenten. So bekommen potente Werbekunden natürlich großen Einfluss auf die Medien, den sie naturgemäß nutzen. Darunter leidet die Unabhängigkeit der Medien und auch der Journalisten. Niemand sollte sich einreden lassen, dass Herausgeber oder Chefredakteure darüber hinwegsehen, wenn ihre Journalisten kritisch über einen großen Konzern berichten, der gleichzeitig einer der Hauptwerbekunden ist."
Eine wichtige Folge: "Die Grenzen zwischen Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Journalismus verschwimmen."
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