Samstag, 24. April 2010

Zensurinstanzen in deutschen Zeitungen - Harald Martenstein in der Süddeutschen Zeitung...

Wie Zensur auch im freien deutschen Pressewesen funktioniert, macht in der Süddeutschen Zeitung vom 24. April 2010 Harald Martenstein deutlich.

"Es gibt das Phänomen der deutschen Regionalzeitung, die in ihrem Verbreitungsgebiet ein Monopol hatte und jahrzehntelang gut verdiente, dabei Honorare zahlte, die gerade mal zum Überleben reichten", stellt Martenstein fest und fügt hinzu: "und die jedem Konflikt mit den Mächtigen aus dem Weg ging (ich sage nicht, dass alle Regionalzeitungen so sind)."

Ob das beispielsweise für die Nordsee-Zeitung zutrifft, darf sicher ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

Martenstein weiter: "Überall im deutschen Journalismus, wahrscheinlich auch im Fernsehen, gibt es zwei potentielle Zensurinstanzen. Die erste Instanz sind die Werbekunden, ohne die es keine Zeitungen geben kann, und mit denen man sich, verständlicherweise, nicht gerne anlegt."

Was jeder Journalist einer Lokalzeitung wie der Nordsee-Zeitung ebenfalls alltäglich beobachten kann, ist die laut Martenstein zweite potentielle Zensurinstanz.

Dies seien "die Chefredakteure und Verleger, die alle Freunde haben, in dem einen oder anderen Honoratiorenkreis verkehren und, verständlicherweise, ihre Ruhe haben möchten (die einen mehr, die anderen weniger)." (Alle Hervorhebungen DK)

Martensteins schlichte Feststellung: "Zeitungen haben eine gesellschaftliche Funktion, sie müssen eine Plattform auch für unangenehme Meinungen und für unangenehme Nachrichten sein, gleichzeitig sind sie gewinnorientierte Unternehmen. Das ist der unauflösbare, unvermeidliche Widerspruch, in dem sie sich bewegen und täglich Kompromisse suchen."

Wohl wahr - und sehr bedauerlich, wenn die Kompromisse allzu sehr   Schlagseite in Richtung Anbiederung und Versimpelung bekommen...

Dienstag, 20. April 2010

Nahost - Israel - Palästina: Brzezinski fordert dramatische Aktion für Frieden im Nahen Osten - Die deutsche Presse hält sich stark zurück...

(Seestadtpresse Bremerhaven) Einen ausführlichen Vorschlag für ein "umfassendes Friedensabkommen" zwischen Israel und Palästina formuliert der bekannte amerikanische Außenpolitik-Experte Zbigniew Brzezinski in der Washington Post vom 11. April 2010, gemeinsam mit dem Kongressabgeordneten Stephen Solarz.

In den deutschen Medien ist davon bisher nichts Näheres zu entdecken.

Das entsprechende Suchwort nennt international allerlei Texte, darunter die ersten Ablehnungen durch Stimmen aus der bekannten "Israel-Lobby". Ein Beispiel (darin wird Obama als "König Hussein" bezeichnet, der "kein Freund der Juden" sei) ist hier nachzulesen.

In der amerikanischen Huffington Post wird unter dem Datum 19. April 2010  eine kritische Einschätzung aus der Gegenrichtung gebracht. Der Vorschlag missachte die Rückkehrrechte palästinensischer Flüchtlinge. Auf diese Weise sollten "rassen-basierte Mehrheiten in Israel" ("race-based majorities in Israel") gesichert werden, heißt es dort.

Brzezinski und Solarz benennen erneut vier Kernpunkte, die schon bisher in der internationalen Diskussion bekannt sind:

(1) Das Recht zur Rückkehr für Flüchtlinge nach Palästina, aber nicht nach Israel, einschließlich Wiedergutmachungen.
(2) Jerusalem als aufgeteilte Hauptstadt beider Staaten Israel und Palästina einschließlich einer internationalen Regelung für die Altstadt.
(3) Eine territoriale Regelung auf der Basis der Grenzen von 1967.
(4) Einen entmilitarisierten palästinensischen Staat.

Die Autoren machen deutlich, dass diese Bestandteile bereits früheren Friedensplänen zu Grunde lagen, auch dem arabischen Friedensplan von 2002. Daher richten Brzezinski und Solarz nun die Forderung an den US-Präsidenten Barack Obama, in einer dramatischen diplomatischen Aktion für die Realisierung des Plans zu sorgen.

Dies sei im wirklichen Interesse aller Parteien - Israel, Palästina und USA. Schließlich würden die USA durch die jetzige Situation daran gehindert, ihre diplomatischen und militärischen Ziele in der Region zu verfolgen.

Uri Avnery begrüßt den Plan ausdrücklich, wie es in der deutschen Fassung seines Textes auf der Webseite von "Der Semit" nachzulesen ist.

Es darf darüber nachgedacht werden, warum die deutschen Medien nicht über diesen Plan berichten, der von einem zwar konservativen, aber als einen realistischen Geopolitiker anerkannten Außenpolitik-Experten über eine einflussreiche Zeitung wie die Washington Post zur Diskussion gestellt wurde...

Iran-Israel-Konflikt: Einseitige Verwendung des Begriffs "internationale Gemeinschaft" in den Medien - Propaganda-Begriff?

Der Begriff "internationale Gemeinschaft" wird gerne als Propaganda-Begriff zur Verschleierung der tatsächlichen Interessenlagen verwendet.

Die westlichen Mainstream-Medien übernehmen diese Begrifflichkeit, offensichtlich ohne dessen Verschleierungs- und Propagandafunktion zu beachten.

So kritisiert in unseren Tagen die "internationale Gemeinschaft" lautstark das Streben Irans nach Atomwaffen, während die "internationale Gemeinschaft" auffällig still schweigt gegenüber den bereits existierenden Atomwaffen Israels.

Entsprechend wenig beachtet wurde eine internationale Konferenz in Teheran, auf der das Ziel "Atomenergie für alle, Atomwaffen für niemand!" formuliert wurde - eindeutig mit Blick auf die nahöstliche Atommacht Israel. Denn hier wurde die Forderung gestellt, Israel müsse dem Atomwaffensperrvertrag beitreten, seine Atomanlagen für internationale Kontrollen öffnen und sein Arsenal an Nuklearwaffen abrüsten.

Zwar stößt die Zielsetzung "Atomenergie für alle" bei atomkritischen Menschen auf Ablehnung, aber der Kernpunkt darf zur Kenntnis genommen werden: Die propagandistisch eingesetzte "internationale Gemeinschaft" kritisiert einen Staat, dem die westlichen Führungsmächte das Streben nach Atomwaffen nachsagen, während die tatsächlich einzige Atommacht des Nahen Ostens nicht erwähnt wird.

Mensch könnte sich dabei an vergangene Zeiten erinnert fühlen, als die westliche Führungsmacht USA gemeinsam mit der "internationalen Gemeinschaft" die (hinterher nicht auffindbaren) Massenvernichtungswaffen im Irak bekämpfte...

Eine ausführlichere Darstellung dieses Gedankengangs ist in der Ausgabe der Berliner Tageszeitung "junge Welt" vom 20. April 2010 in einem Text von Knut Mellenthin nachzulesen.

Freitag, 16. April 2010

In Afghanistan beklagt die deutsche Armee immer mehr Tote und Verletzte, aber die wahren Gründe für den Krieg werden weiterhin nicht diskutiert - Es geht nur um eine "neue Sprache"...

Der deutsche Afghanistan-Militäreinsatz wird in der deutschen Öffentlichkeit seit seinem Beginn mit großen Mehrheiten abgelehnt. 

Dieses klare Nein von etwa drei Vierteln der Deutschen bestätigt auch das CIA-Memorandum vom 26. März 2010, das kürzlich (und bisher nicht dementiert) über Wikileaks bekannt gemacht wurde.

Wer sich die Diskussionen in unseren Mainstream-Medien ansieht, dürfte irritiert mit dem Kopf schütteln.

Da wird stets sehr allgemein behauptet, am Hindukusch werde die deutsche Sicherheit und Freiheit verteidigt. Und dann kommt beispielsweise Spiegel-Online am 16. April 2010 mit folgender Feststellung: "Seit Jahren quält sich (die Politik) damit, den Einsatz zu begründen."

Wer da meint, solche Fragen würden vor Beginn eines Kriegseinsatzes geklärt, sieht sich getäuscht. Und ganz offensichtlich geht es auch nicht um die tatsächlichen Gründe für diese Kriegführung, sondern um eine einigermaßen eingängige Begründung für die deutsche Öffentlichkeit.

Das illustriert die Fortsetzung des Textes bei Spiegel-Online: "Doch statt eine neue Sprache zu finden, mit der (die Politik) für den Einsatz eintritt, verzettelt sie sich in einer Debatte über den Status des Engagements." (Alle Hervorhebungen in den Zitaten DK).

Wenn es nur um eine "neue Sprache" geht, sollten doch die "Spin-Doctors" dieser Republik (plattdeutsch: "Verdreihdoktors", hochdeutsch: "mediale Verdreh-Experten") keine Schwierigkeiten haben.

Schließlich gibt auch das CIA-Memorandum ein paar ganz nützliche Hinweise für das Maßschneidern der Botschaften an die Öffentlichkeit und für eine effektive "strategische Kommunikation"...

Hinweise: Klare Worte zum Thema findet wieder einmal der geniale Georg Schramm - anzusehen über Youtube.

Und einen interessanten Denkanstoß zum Allgemeinen "imperialistischer Kriege" liefert Arnold Schölzel in der Berliner Tageszeitung "junge Welt" vom 17. April 2010.  

Dienstag, 13. April 2010

"Strategische Kommunikation" nach den Vorschlägen des US-Geheimdienstes CIA...

"Strategische Kommunikation" heißt das Stichwort für die politische Funktionalisierung unserer Medien, die ganz offensichtlich von vielen Menschen im Lande weiterhin heftig unterschätzt wird.

Sehr schön deutlich wird diese politische Strategie in einem Papier vom 11. März 2010 aus dem Haus des amerikanischen Geheimdienstes CIA, das über Wikileaks bekannt gemacht wurde.

Das CIA-Papier wurde dort am 26. März 2010 publiziert. Es wurden bisher keine Zweifel an der Echtheit dieses Dokuments geäußert.

Das Papier ist als Memorandum gekennzeichnet und entwickelt auf vier Seiten ganz knapp Ideen, um die Öffentlichkeit in Ländern wie Frankreich und Deutschland stärker für den den Krieg der Nato in Afghanistan zu begeistern.

Interessant ist, dass in diesem Papier klipp und klar die politische Strategie der heutigen Bundesregierung charakterisiert wird. Nach Einschätzung der CIA-Experten ignoriert sie die Opposition von 80 Prozent der Bevölkerung gegen den Afghanistan-Krieg und gegen eine Verstärkung der deutschen Truppen. 

Dieses Setzen auf die Apathie der Öffentlichkeit sei gefährlich, meinen die CIA-Experten in dem Papier, weil diese Haltung schnell umkippen könne, wenn die blutigen Ereignisse im Land auf den Radar der Öffentlichkeit geraten.

Zur Vorbeugung gegen solche Gefahren (!) schlagen die Experten das "Maßschneidern von Botschaften" ("tailoring messaging") vor und empfehlen ein "dauerhaftes und ständig wiederholtes Programm der strategischen Kommunikation" ("consistent and iterative strategic communication program").

Vorschläge für Deutschland: Den deutschen Pessimismus beim Blick auf den Afghanistan-Krieg durch Berichte über die angebliche afghanische Zustimmung zu diesem Kriegseinsatz unterlaufen und Botschaften inszenieren, in denen die gefährlichen Folgen einer Nato-Niederlage für die Lage in Deutschland dramatisiert werden. 

Auch das Hervorheben der "multilateralen und humanitären Aspekte" des Krieges könnten dafür sorgen, die Bedenken der Deutschen zu verringern. Schließlich habe man mit solchen Argumenten auch schon die deutsche "Allergie gegen bewaffnete Konflikte" bei der Inszenierung des Kriegs auf dem Balkan in den 1990er Jahren erfolgreich unterlaufen.

Berichtet wird über das CIA-Papier unter anderem in der Berliner Tageszeitung "junge Welt" vom 3. April 2010.

Wie diese strategischen Empfehlungen des US-Geheimdienstes in der breiten Strömung der deutschen Presselandschaft umgesetzt wird, lässt sich leicht Tag für Tag beobachten...

Freitag, 9. April 2010

Nordsee-Zeitung mit leichten Verzögerungen bei der Berichterstattung über US-Hubschrauberangriff auf Zivilisten...

Aktualität gilt in der Presse als eines der Kriterien für Qualität.

Daher mag es ganz interessant sein, einmal einen kurzen Blick auf die Berichterstattung über einen Angriff US-amerikanischer Hubschrauberpiloten auf Zivilisten im Irak zu werfen.

Das Ereignis fand bereits im Juli 2007 statt. In den Berichten darüber ist von 12 bis 15 Toten die Rede, darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters.

Der grausame Film über Alltäglichkeiten eines willkürlich und zielgerichtet inszenierten Krieges ist über Youtube oder über Wikileaks zu sehen.

In der New York Times beispielsweise tauchen Hinweise auf ein Video über diesen Angriff, aufgenommen mit der Bordkamera des Hubschraubers, bereits am 5. April 2010 auf. Wer in der Online-Ausgabe der Zeitung herumblättert, findet mehrere Beiträge, die sich unter anderem mit der Webseite Wikileaks beschäftigen.

Spiegel-Online beispielsweise berichtet einen Tag später.

Erst zwei Tage später (am 7. April 2010) bringt die Nordsee-Zeitung auf der zweiten Seite einen kurzen Hinweis auf dieses Video unter der Überschrift "Drastisches Video von Angriff im Irak".

Auf der Webseite der Nordsee-Zeitung wurde allerdings bereits am Abend vorher (6. April 2010 um 21.47 Uhr) ein dpa-Bericht über das Thema bereitgestellt.

Am 7. April 2010, findet sich beispielsweise im Weser-Kurier ein ausführlicher erläuternder Text einschließlich Fotos aus den Filmaufnahmen unter der Überschrift "Video bringt US-Militärs in Erklärungsnot".

Die Nordsee-Zeitung braucht noch einen weiteren Tag bis zum 8. April 2010, um die ausführlichere Berichterstattung nachzuholen, und verbindet dies mit der Ankündigung, Wikileaks wolle einen weiteren Film über die amerikanische Kriegsführung ins Netz stellen. Überschrift: "Geheim-Videos über weiteres Blutbad".

In einem Beitrag für das NDR-Medienmagazin Zapp werden Hintergründe für die Zögerlichkeiten bei der Berichterstattung der deutschen Presse erläutert.