Montag, 30. August 2010

Bremerhaven: Nordsee-Zeitung lässt einen SAIL-Organisator sich selbst loben - im Aufmacher auf der Titelseite...

Seestadtpresse Bremerhaven - "Eine der schönsten Sails", titelt die Nordsee-Zeitung, das Bremerhavener Lokalblatt, am 30. August 2010 im Aufmacher auf der Titelseite.

Die Aussage ist als Zitat gekennzeichnet, nicht als Feststellung der Redaktion. So weit, so gut.

Aber von wem stammt das Zitat? Antwort: Von Heino Tietjen, einem der federführenden Organisatoren der maritimen Großveranstaltung.

Das bedeutet also: Hier lobt jemand das Ergebnis seiner eigenen Arbeit und schafft es damit auf die Titelseite der Nordsee-Zeitung.

Ich bitte daher für eine der kommenden Ausgaben um die Schlagzeile "Seestadtpresse Bremerhaven - das informativste Pressemedium der Stadt". Das kann im Text gerne unauffällig als meine eigene Bewertung gekennzeichnet werden. Hauptsache, die Botschaft erscheint auf der Titelseite. Dass ich mich da nur selbst lobe, merkt so schnell niemand.

Das Ganze ist so, als würde der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz als Lieferant einer NZ-Schlagzeile wie "Das war wieder eine gelungene Sail" auftreten. Dann lobte auch einer die Ergebnisse seiner jahrelangen Arbeit und schaffte es damit direkt in die Nordsee-Zeitung.

Aber was soll der Konjunktiv.

Selbstverständlich findet sich diese Schlagzeile mit der Schulz-Bewertung der SAIL ebenfalls in der Nordsee-Zeitung vom 30. August 2010, und zwar im Lokalteil.

So funktioniert NZ-Journalismus allzu oft - man bietet ausgewählten wirtschaftlichen und politischen Akteuren der Stadt ein Forum zur Veröffentlichung ihrer Meinungen. 

Das soll dann reichen...

Freitag, 27. August 2010

Schöne neue Aussichten für westliche Demokratien - Berlusconi als Leuchtfeuer fürs Negative...

Seestadtpresse Bremerhaven - Manche Äußerungen von Politikern gehen im alltäglichen Buchstaben- und Bilder-Getümmel allzu leicht unter. Sie sollten wenigstens gelegentlich noch einmal unterstrichen werden, weil manche dieser Aussagen künftige (negative) Entwicklungen vorzeichnen könnten.

So meldete der Weser-Kurier in seiner Ausgabe vom 10. Juni 2010 folgende Aussage des (immerhin!) italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi: "Wir haben gute Absichten und Projekte, aber der verfassungsgemäß vorgeschriebene Weg macht es äußerst schwierig, vernünftige Gesetze zustande zu bringen."

Könnte das bedeuten, dass unseren herrschenden wirtschaftlichen und politischen Anführer die verfassungsgemäß vorgeschriebenen Wege zu umständlich werden, weil sie zu viele Bremsen für Unternehmerfreundlichkeit und Rechtsbrüche enthalten?

Berlusconi weiter: "Diese Verfassung ist veraltet. Sie redet viel von Arbeitern, aber überhaupt nicht über die Unternehmer und den Markt."

Könnten da weitere neue autoritäre Perspektiven angedeutet werden?

Donnerstag, 26. August 2010

Proteste gegen die Werbekampagne der Konzerne für Atomenergie - Institut Solidarische Moderne startet Unterschriftenaktion...

Seestadtpresse Bremerhaven - Die Zeitungsanzeige der Konzerne zur deutschen Atompolitik sorgt für Proteste.

Das Institut Solidarische Moderne verweist auf die Alternative "Demokratischer Rechtsstaat oder Atomstaat" und fordert: "Der bis zum Vertragsbruch gehenden Maßlosigkeit der Konzernpatriarchen muss demokratischer Widerstand entgegengesetzt werden: für den Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verteidigung der Demokratie. Beides gehört zusammen."

In dem Aufruf erinnert das Institut an die Hintergründe der Entscheidung von 2001, als die Laufzeiten der Atomkraftwerke begrenzt wurden. Zum Beschluss gehörte seinerzeit auch der Verzicht auf die Brennelementesteuer:

"Auf eine solche Steuer hatte die rot-grüne Bundesregierung 2001 verzichtet, um den sogenannten Ausstiegskonsens überhaupt durchzusetzen. Verzichtet wurde damals auch auf eine verursachergerechte Neuregelung der Haftungsfrage der Kernkraftbetreiber. Unberührt blieben die steuerfreien Rückstellungen für die atomare Entsorgung. Den Betreibern der 17 Atomkraftwerke brachte das geldwerte Vorteile von etwa 5 Milliarden Euro jährlich."

Das bedeutet laut Aufruf: "Wird jetzt auf den Ausstieg verzichtet, haben die Atomkonzerne ohne jede Gegenleistung eine Summe von etwa 50 Milliarden Euro kassiert."

Wer den Aufruf unterzeichnen will, kann dies auf der Webseite des Instituts Solidarische Moderne tun. 

Durchsichtige Werbekampagne der Konzerne für Atomenergie - Medienmagazin Zapp beleuchtet Hintergründe der willigen Wahrheitsverdreher...

Seestadtpresse Bremerhaven - In den vergangenen Tagen überraschte eine interessante neue Koalition der willigen Wahrheitsverdreher die bundesdeutsche Öffentlichkeit mit einer Werbekampagne für die Atomenergie. Der neutrale Name dieses neuen PR-Vereins: "Energiezukunft für Deutschland".

Verlogene Überschrift: "Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft". Erste Feststellung, um falsche Erwartungen zu wecken: "Die Zukunft gehört den Erneuerbaren". Um dieses Ziel anzusteuern, brauche das Land große Investitionen, die nicht politisch blockiert werden dürften.

Schlussfolgerung: Die Konzerne müsse ihre Gewinne behalten, damit sie in die erneuerbaren Energien investieren können. Sollte also die Bundesregierung "neue Energiesteuern" verlangen, dann blockiere sie "notwendige Investitionen in die Zukunft".

Und konkreter: "Die geplante Brennelementesteuer oder eine weiter steigende Ökosteuer dürfen in ihrer Konsequenz Zukunftsinvestitionen nicht verhindern."

Und: Ein "vorzeitiger Ausstieg" (dieser Ausstieg wurde bekanntlich zuvor gemeinsam von Bundesregierung und Industrie politisch besiegelt) "würde Kapital in Milliardenhöhe vernichten - zu Lasten der Umwelt, der Volkswirtschaft und der Menschen in unserem Land".

Das NDR-Medienmagazin Zapp beleuchtete in seiner Ausgabe vom 25. August 2010 das durchsichtige Manöver der Atomlobbyisten, unter denen sich auch schillernde Persönlichkeiten wie Otto Schily, Oliver Bierhoff und Manfred Bissinger neben bekannten Lobbyisten wie Friedrich Merz, Jürgen Thumann und Matthias Wissmann befinden.

Dienstag, 24. August 2010

Bremerhaven: Kuriose Besucherzahlenakrobatik und argumentativer Eiertanz - Maritime Großveranstaltung SAIL wird immer wieder gerne schön gerechnet - ...

Seestadtpresse Bremerhaven - Die maritime Großveranstaltung SAIL ist vielen Menschen eine wirkliche Herzensangelegenheit und erfreut stets eine riesige Schar begeisterter Windjammer-Fans.

Um so erstaunlicher ist es, dass immer wieder mit kuriosen Zahlen hantiert wird, um die Kosten der Veranstaltung schön zu rechnen.

"Sail füllt die Kassen in Bremerhaven", meldete beispielsweise der Weser-Kurier (WK) am 23. August 2010 auf seiner Titelseite. Als Gesamtkosten der diesjährigen SAIL werden dort 1,9 Millionen Euro genannt, von denen knapp 1,1 Millionen Euro aus der Kasse des Landes Bremen kommen sollen.


Dagegen steht laut Darstellung im Weser-Kurier ein "deutliches Umsatzplus durch die eine Million Besucher". Urheber dieser Schätzung ist ein Sprecher des seit seiner Gründung mit öffentlichen Mitteln heftig unterstützten Vereins der Bremerhavener Innenstadtkaufleute namens "City Skipper".

Das genannte "Umsatzplus in der Region" durch die SAIL wird mit 4 Millionen Euro beziffert.


Um den Hintergrund zu beleuchten, wird aus der Senatsvorlage die Zahl von 324000 gewerbliche Übernachtungen in den Hotels genannt. Etwas später ist die Rede von zusätzlich "216000 Gästen, die privat untergebracht sind".

Das ist zunächst einmal ein Beispiel für das beliebte Verwirrmuster, ständig zwischen "Übernachtungen" und "Gästen" hin und her zu hüpfen. Die Zahl der Gäste ist bei korrekter Berechnung stets geringer als die Zahl der Übernachtungen, da manche Gäste bekanntlich mehrere Tage bleiben. Gern genannt werden übrigens auch "Ankunftszahlen", weil darin zusätzlich zu den Übernachtungsgästen auch noch die Tagesgäste enthalten sind.


Im Übrigen dürfte klar sein, dass sich die genannte (erhoffte) Zahl von 324000 gewerblichen Übernachtungen selbstverständlich nicht allein auf die SAIL bezieht, sondern nur für das ganze Jahr 2010 gelten kann.

Ein Hinweis: Die IHK nennt in ihrem Statistischen Jahresbericht für das Jahr 2009 eine Gesamtzahl von 299.686 Übernachtungen in Bremerhaven.


WK-Leserinnen und -Leser finden dann eine weitere interessante Zahlenangabe. BIS-Chef Volker Kölling schätzt, jeder "Übernachtungsgast" lasse bei der SAIL 90 Euro, die in irgendeiner (privaten) Kasse der Region landen sollen.

Schon eine überschlägige Rechnung sollte zeigen, dass da irgendetwas nicht stimmen kann.Denn selbst wenn nur 100000 Übernachtungsgäste zusätzlich zur SAIL kämen und jeder von ihnen 90 Euro in der Stadt ließe, bedeutete das Mehrumsätze von 9 Millionen Euro. Hinzu kommen die vielen 100000 Tagesgäste, die im Schnitt laut WK "auf jeden Fall um die 50 Euro" ausgeben sollen.

Bei überschlägiger Rechnung wären das (bei einmal angenommenen 700000 Tagesgästen) weitere 35 Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen.


Warum kommen dann die sicherlich nicht besonders pessimistischen City-Skipper-Schätzungen auf gerade einmal 4 Millionen Euro zusätzlicher Umsätze?

BIS-Chef Kölling zeigt sich angesichts dieses Zahlen-Durcheinanders gleichwohl optimistisch, "dass der volkswirtschaftliche Effekt den Zuschuss bei Weitem übertreffen wird".

Das ist wieder ein Begriff, der gern ins Feld geführt wird - vermutlich weil er mit nichts als Schätzungen und Annahmen gefüllt werden muss und nie konkret zu ermitteln ist.

Auffällig ist, dass all diese Pseudo-Berechnungen immer nur in den Vorlagen zur Bewilligung der öffentlichen Zuschüsse eine Rolle spielen. In der öffentlichen Berichterstattung ist davon nur sehr selten die Rede.

Von einer kritischen Überprüfung der Zahlen ist in der öffentlichen Berichterstattung noch seltener die Rede.

Weitere Anmerkung: Vor fünf Jahren ergab die Gästebefragung durch die Firma ITF Research, dass jeder SAIL-Besucher 21,40 Euro ausgegeben hat. Bei seinerzeit veranschlagten 1,7 Millionen Besuchern wären das rund 36 Millionen Euro, die in die Kassen auf dem Festgelände geklimpert sein müssten, berichtete das Bremerhavener Sonntagsjournal am 18. September 2005.

Das ITF nannte 2005 einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro durch den Tourismus in Bremerhaven. Das entsprach laut ITF einem Beschäftigten-Äquivalent von 889 Arbeitskräften über das Jahr und einem Steueraufkommen von 1,25 Millionen Euro.

Wird diese Messlatte angelegt, dann könnte die diesjährige SAIL mit ihren geschätzten vier Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen also für die öffentlichen Kassen bestenfalls 100000 Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen - nicht allzu viel bei einem öffentlichen Zuschuss von knapp 1,1 Millionen Euro.

Wer zu dieser etwas unübersichtlichen Zahlenakrobatik rund um die SAIL Erhellendes beisteuern kann, ist herzlich eingeladen, die Kommentierungsmöglichkeit dieses Blogs zu nutzen.

Montag, 23. August 2010

Frankfurter Allgemeine Zeitung erinnert an die "Erklärung von Philadelphia" aus dem Jahre 1944 - Vergessene Grundsätze in Zeiten des "ökonomischen Fundamentalismus"...

Seestadtpresse Bremerhaven - Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) erinnert in ihrer gedruckten Ausgabe vom 11. Juni 2010 in einer kurzen Buchbesprechung an ein erstaunliches Dokument - die "Erklärung von Philadelphia". Sie wurde am 10. Mai 1944 von der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization - ILO) verabschiedet.

Laut FAZ bekräftigte die ILO in dieser Erklärung ("vor dem Hintergrund der Weltkriegserfahrungen"), "dass ein allgemeiner und dauerhafter Frieden nur dann geschaffen werden kann, wenn er auf umfassender sozialer Gerechtigkeit beruht". Durch den "ökonomischen Fundamentalismus" der vergangenen Jahre sei diese Einsicht "auf dem Altar der Doktrinen vom grenzenlosen Markt geopfert" worden, argumentiert laut FAZ Alain Supiot, der Autor des besprochenen Buchs.

Als allererstes Ziel der Arbeitsorganisation nennt die Erklärung "Vollbeschäftigung und Verbesserung der Lebenshaltung".

Kurz danach folgt die Beschreibung eines Ziels, das in der Politik heutiger Regierungen längst nicht mehr im Zentrum steht, obwohl diese sich zur Erreichung dieses Ziels verpflichtet haben: "Gewährleistung eines gerechten Anteils aller an den Früchten des Fortschritts hinsichtlich der Löhne und des Einkommens, der Arbeitszeit und anderer Arbeitsbedingungen sowie eines lebensnotwendigen Mindestlohnes für alle Arbeitnehmer, die eines solchen Schutzes bedürfen."

Ebenfalls völlig aus dem Blick geraten sind die in der Erklärung genannten Grundsätze (insgesamt sind es vier Grundsätze): "Arbeit ist keine Ware" und "Armut, wo immer sie besteht, gefährdet den Wohlstand aller."

Montag, 9. August 2010

Nordsee-Zeitung trotz aller Anstrengungen zahlenmäßig weiter im Sinkflug - Zahlenvergleich bei Meedia

Seestadtpresse Bremerhaven - Die Nordsee-Zeitung verliert wie andere Tageszeitungen seit Jahren relativ kontinuierlich Leserinnen und Leser.

Das entnimmt der Mediendienst Meedia (Eigenwerbung: "Deutschlands Medien-Portal") aus den IVW-Zahlen. Die IVW ist die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern.

Danach lag die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten der Nordsee-Zeitung im zweiten Quartal dieses Jahres bei 55.556. Darin enthalten ist das gesamte Verbreitungsgebiet, das über die Stadt Bremerhaven hinausgeht und hauptsächlich den umliegenden Landkreis einbezieht. Im 12-Monats-Vergleich ist dies ein Rückgang um 2 Prozent.

Noch stärker zurückgegangen sind laut Meedia in diesem Zeitraum die Einzelverkäufe, nämlich um 10 Prozent. Allerdings spielt der Einzelverkauf nur eine geringe Rolle und wird für die Nordsee-Zeitung im täglichen Durchschnitt aktuell mit 2934 Exemplaren beziffert.

Wer andere Zeitungen unter diesem Gesichtspunkt vergleichen möchte, kann das unter dieser Meedia-Seite tun.

Samstag, 7. August 2010

Nordsee-Zeitung macht wieder (ganz im Sinne der IHK) Stimmung für die Küstenautobahn A 20 - Kommentar auf Seite 1 in der Verkleidung angeblich sachlicher Berichterstattung...

Seestadtpresse Bremerhaven - Die Nordsee-Zeitung greift in ihrer Ausgabe vom 7. August 2010 das Thema Küstenautobahn auf ihrer Titelseite auf. Überschrift der Alarmmeldung: "Scheitert die A 20 am Geld?" Botschaft: Da könnten sich die Autobahngegner aber zu früh gefreut haben...

Wer im NZ-Berichtsteil sachliche Informationen erwartet hat (die Kommentare sollen bekanntlich auf Seite 2 stehen!), findet sich getäuscht. Es geht um nichts anderes als Stimmungsmache für das angeblich bedeutsame Verkehrsprojekt.

Zu diesem Zweck werden Propagandisten des Projekts wie Enak Ferlemann zitiert und die Möglichkeiten einer privaten Finanzierung erläutert, obwohl solche PPP-Modelle bekanntlich für die Öffentlichkeit in der Regel noch kostspieliger sind als eine direkte öffentliche Finanzierung.

An keiner einzigen Stelle wird in der Nordsee-Zeitung ernsthaft die Frage gestellt, ob diese weitere Autobahn tatsächlich wichtig ist. Die (bisher wenig überzeugend begründete) angebliche Notwendigkeit wird schlicht als unbestreitbare Tatsache unterstellt.

Dagegen war in der Berichterstattung des Handelsblatts vom 2. August 2010, die den Anstoß für die Aufgeregtheit der Nordsee-Zeitung lieferte, ausdrücklich der Hinweis enthalten, dass Experten davon ausgehen, dass Deutschland "maximal noch 200 Kilometer Straße benötigt, zu denen etwa Lückenschlüsse wie auf der A 40 von Osnabrück nach Bielefeld gehören". Dann sei das deutsche "Verkehrsnetz optimal - abgesehen von den Schlaglöchern, die durch den Verschleiß entstehen". (Hervorhebung DK)

Bemerkenswert ist, dass in der Nordsee-Zeitung das einzige noch einmal erwähnte inhaltliche Argument für den Autobahnbau vom Bremervörder CDU-Bürgermeister stammt. Er macht deutlich, dass das Milliarden Euro teure Bauvorhaben dringend nötig sei, um die Bremervörder Innenstadt endlich vom Verkehr zu entlasten (!).

Angesichts dieser Art der "sachlichen" Berichterstattung auf der Seite 1 der Nordsee-Zeitung erübrigt sich selbstverständlich ein Kommentar auf Seite 2.

Ein Hinweis: Wie das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom 4. August 2010 mitteilt, machen sich auch Experten im Auftrag der Industrie- und Handelskammern für den vorrangigen Ausbau des Schienennetzes stark: "Der deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) forderte, gezielt in den Güterverkehr auf der Schiene zu investieren. In einem Gutachten für den DIHK kommt der Verkehrswissenschaftler Jürgen Siegmann zu dem Ergebnis, dass das Schienennetz im nächsten Aufschwung zum Nadelöhr wird. Dies gelte vor allem für Strecken, über die die Vielzahl der Container aus den Seehäfen ins Innere Europas transportiert werden." (Hervorhebungen DK)

Freitag, 6. August 2010

Bremerhavener Nordsee-Zeitung weiter auf IHK-Propagandaschiene für die Küstenautobahn - Geht das gut?

Seestadtpresse Bremerhaven - "Küstenautobahn A 20: Jetzt wird es ernst", lautete die Schlagzeile auf der Titelseite der Nordsee-Zeitung (NZ) vom 26. Juni 2010. Anlass war eine Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade.

Interessanterweise direkt in den Räumen der IHK übergab Staatssekretär Enak Ferlemann "die Linienführung für den Verlauf der Autobahn an Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP)", so die NZ.

Zwar wurde erwähnt, dass die Finanzierung mancher Kleinigkeiten wie etwa des Elbtunnels noch unklar sei.

Gleichwohl kündigte die NZ die Fertigstellung der Küstenautobahn westlich der Elbe für 2020 an (im Text stand dann zwar 2022, aber das sind ebenfalls Kleinigkeiten, die in dienstbeflissener IHK-Treue schon mal vorkommen können).

Bemerkenswert ist nun, dass das Handelsblatt am 2. August 2010 folgendes vermeldet: "Sparpolitik zwingt Bund zu Baustopp - Schlechte Nachrichten für die Bauwirtschaft: Ein interner Vermerk des Verkehrsministeriums belegt, dass der Bund bis auf weiteres keine neuen Straßen, Schienen und Wasserwege mehr bauen will." (Hervorhebung DK).

Zum Thema Autobahnen zitiert das Handelsblatt aus dem Vermerk: "Es ist insoweit auch mit der Streckung von laufenden Vorhaben zu rechnen. Neubeginne von Maßnahmen werden in den Hintergrund treten müssen."

Aus Geldnot passiere nun, so das Handelsblatt, "was Experten seit langem fordern: Der Bund stopft lieber Schlaglöcher, anstatt noch ein Dorf an die Autobahn anzuschließen."

Anmerkung des Handelsblatts, das bekanntlich argumentativ sonst eher auf der Seite des Unternehmerlagers steht: "Ohnehin gibt es Zweifel, ob noch so viele Verkehrswege nötig sind. Zwar wächst der Verkehr. Doch damit ist nicht zwingend auch der Bau neuer Autobahnen verbunden. Experten gehen davon aus, dass das Land maximal noch 200 Kilometer Straße benötigt,
zu denen etwa Lückenschlüsse wie auf der A40 von Osnabrück nach Bielefeld gehören. Dann ist das Verkehrsnetz optimal - abgesehen von den Schlaglöchern, die durch den Verschleiß entstehen."

Der Koordinationskreis der Bürgerinitiativen gegen die A 22 warnt, dass das Land Niedersachsen Fehlinvestitionen in Millionenhöhe riskiert, wenn es die Planungen für eine überflüssige und erkennbar nicht finanzierbare Autobahn weiter vorantreibt.

Die Tageszeitung taz erläutert in ihrer Ausgabe vom 2. August 2010 weitere Hintergründe zur aktuellen deutschen Verkehrspolitik.

Aber vermutlich berichtete die Nordsee-Zeitung längst über diese Hintergründe (als Nicht-Mehr-Abonnent der NZ lässt sich das nicht so genau verfolgen).

Donnerstag, 5. August 2010

Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft gedanklich auf den Punkt bringen - Interessantes Zitat von "Rousseau"...

Seestadtpresse Bremerhaven -
Häufiger zitiert wird eine sehr richtige und sehr prägnante Bemerkung des Philosophen Jean-Jacques Rousseaus: "Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt und das Gesetz, das befreit."

Mit dieser Feststellung wird eine Behauptung zurückgewiesen, die auch in der aktuellen politischen Debatte eine Rolle spielt. Wenn nämlich für freiheitliches Handeln im Wirtschaftsleben immer mehr frühere Schutzschranken beseitigt werden, dann leiden die Schwächeren in der Gesellschaft, und nur die Starken und die Reichen profitieren von einer so verstandenen "Befreiung".

Dieser Gedanke ist gut und richtig und wichtig und sollte allen neoliberalen Vorkämpfern für noch größere Freiheiten beim Ausplündern von Menschen um die Ohren gehauen werden.

Allerdings sollte beachtet werden, dass diese schöne Bemerkung offensichtlich gar nicht von Rousseau stammt, sondern von dem Dominikaner Henri-Dominique Lacordaire.

Lacordaire hat in den Jahren nach 1835 berühmt gewordene Vorträge in der Pariser Kirche Notre-Dames gehalten, die mehrfach in Buchausgaben erschienen sind.

In einer dieser Reden aus dem Jahr 1848 sagt er, dass "entre le fort et le faible, entre le riche et le pauvre, entre le maitre et le serviteur, c'est la liberté qui opprime, et la loi qui affranchit."

Also etwa: "Zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen dem Reichen und dem Armen, zwischen dem Herrn und dem Knecht, da ist es die Freiheit, die unterdrückt und das Gesetz, das Schutz bietet."

Dieser Text ist hier nachzulesen.

Im Nachhinein ist mir noch eine Seite vor Augen gekommen, die den Zusammenhang des Zitats ausführlich erläutert - unter "Rossäpfel-Exkurse".

In der Berliner Tageszeitung "junge Welt" vom 4. August 2010 findet sich ein interessanter Text von Arnold Schölzel, der sich mit unseren heutigen neoliberalen Propagandisten der Ungleichheit auseinandersetzt. Auch dort kommt das angebliche Rousseau-Zitat vor.